Ukrainische #Weihnacht
Lieber Leserinnen, liebe Leser,
Dann ist jetzt also Weihnachten. Und damit das Fest auch ganz besonders besinnlich wird (Achtung: Ironie), schreibe ich Ihnen heute diesen Newsletter: jene RiffReporterin, die für Sie aus dem Krieg in der Ukraine berichtet.
Ich möchte diesen Newsletter aber nicht nutzen, um Ihnen das Fest zu verderben. Lieber möchte ich Ihnen ein wenig über das Land erzählen. Wussten Sie etwa, dass die Ukraine seit diesem Jahr mit einer Tradition bricht? Nicht? Dann lesen Sie weiter.
Was in dieser Woche wichtig ist
Die #Ukraine bricht bereits seit 2023 mit ihrer postsowjetischen und (vor allem) orthodoxen Tradition, Weihnachten erst im Januar zu feiern. So richtig in der Gesellschaft angekommen, war dies allerdings vergangenes Jahr noch nicht. Dieses Jahr ist das anders. Schon seit Beginn des Krieges gegen Russland (also seit 2014) geht die Ukraine auf Distanz von den Gepflogenheiten, Traditionen und der importierten Kultur des großen Nachbarn. Der Prozess begann mit der Maidan-Revolution, in der die Bürger:innern ihren prorussischen Präsidenten stürzten, und setzte sich fort, als Russland unter dem Deckmantel einer separatistischen Bewegung in den Osten des Landes eindrang. Seitdem lehnt der Großteil der Ukainer:innen die russische Sprache ab, stärkt die eigene und fördert die Kultur des Landes. Stück für Stück näherte sich die Ukraine auch dem Westen an. Nun folgt ein weiterer Schritt: Erstmals feiert die Mehrheit der Ukrainer:innen das Weihnachtsfest zeitgleich mit dem Westen Europas, also zwischen dem 24. und 26. Dezember – und eben nicht mehr zusammen mit der russischen Orthodoxie in der Nacht vom 6. auf den 7. Januar.
Warum wir uns dafür interessieren sollten
Das ist eine kulturelle Zäsur, die zugleich hochpolitisch ist: Traditionen und landesspezifische Gepflogenheiten belegen und schaffen Identität. An ihnen lässt sich ablesen, welcher Kultur und auch, welchem Land sich die Menschen zugehörig fühlen, wonach sie streben. Dass die Ukraine in diesem Jahr zusammen mit dem Westen Weihnachten feiert, ist ein Signal an Russland und ein Bekenntnis an die Welt: Unsere Zukunft liegt in Europa.
Was mich dabei persönlich beschäftigt
Ganz einfach: Es hat mich überrascht. Ich wusste, wie wichtig es den meisten Ukrainer:innen ist, ganz offen und laut zu zeigen, wie sehr man gegen den russischen Einfluss ist. Ich wusste, dass die Menschen großen Wert darauf legen, die eigenen Künstler:innen, Innovationen, Musiker:innen, Erfinder:innen und Schriftsteller:innen hervorzuheben. Dass sie viel Arbeit in internationale Aufklärung stecken, um der Welt zu zeigen, welchen kulturellen und intellektuellen Schatz das Land originär bietet – und dass Russland genau diesen in der Vergangenheit konsequent überschattete. Aber Weihnachten umdatieren? Dass der Wunsch von der Befreiung und Trennung des einstigen Unterdrückers und heutigen Todfeinds so weit reicht – damit hatte ich nicht gerechnet.
Was als Nächstes passiert
Dass Weihnachten „vorverlegt“ wurde, heißt nicht, dass sich alles ändert. So ist es natürlich nicht verboten, das Fest weiterhin in der Nacht zum 7. Januar zu feiern. Außerdem ist für die Ukrainer:innen das Weihnachtsfest längst nicht so bedeutend wie in Deutschland. Geschenke gibt es hier und da ein paar. Aber … eigentlich nicht wirklich. Dafür ist die Silvesternacht da. Da, ja da wird man reich beschenkt.
Und damit: Frohe Weihnachten und з Різдвом Христовим!
Joana Rettig
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