Mein Rückzug aus der aktiven Politik
Diesen Blogeintrag habe ich bereits vor zwölf Jahren geschrieben - eine Entscheidung, zu ich heute noch stehe:
Schon in meiner Kindheit war ich nach Auffassung meiner Eltern ein "schwieriges" Kind, weil ich meinen eigenen Kopf und meine eigene Zunge hatte. Meine Eltern waren es nicht gewohnt, sich in andere Menschen hinein zu versetzen und daher auch nicht zur sprachlichen und gefühlsmäßigen Auseinandersetzung im Sinne von Austausch imstande.
Davon ließ ich mich jedoch von meiner Eigenständigkeit nicht abhalten. So kam es, dass ich in meiner Jugend mit der aktiven Politik in Berührung kam und mich dort stark engagierte. Ich war friedenspolitisch, kulturpolitisch, studentenpolitisch, parteipolitisch, gewerkschaftspolitisch aktiv und fast immer im Vorstand. Zeitweise war ich Öffentlichkeitsreferent, weil ich schon immer einen Hang dazu hatte, meine Gedanken, Vorstellungen, Ziele und Vorschläge öffentlich mitzuteilen und mit anderen Menschen auszutauschen. So weit ich mich heute noch erinnern kann, dauerten meine politischen Aktivitäten weit über zehn Jahre. Genau vermag ich es nicht mehr nach zu vollziehen.
Irgendwann während dieser Zeit stieg meine damalige frauenpolitisch engagierte Lebensgefährtin nach über zehn Jahren aktiver und engagierter Arbeit in einem autonomen Frauenhaus aus diesem Kampf mit den Worten aus: "Weißt Du, Gerhard, die Situation von uns Frauen ist heute schlimmer als zu Gründungszeiten unseres Frauenhauses vor dreizehn Jahren." Darauf konnte ich ihr nur enttäuscht antworten: "Nicht nur die Situation von euch Frauen, sondern die gesamtgesellschaftliche und -politische Lage überhaupt." Und leider hat sich bis heute daran nichts geändert: Es müsste an so vielen Stellen gegen Sozialabbau und Entrechtung von Menschen gekämpft werden, dass es schier weg unmöglich ist. Denn zum Kämpfen braucht man sehr viel Kraft und Zeit - und die haben viele Menschen heute einfach nicht mehr: Die noch Beschäftigten sind nach der Arbeit oft nur im Arsch und wollen ihre Ruhe haben. Und die Arbeitslosen leben nun mal nicht im Freizeitparadies, weil der tagtägliche Überlebenskampf oftmals einfach nur zermürbend ist.
Meine Arbeitslosigkeit begann 1990, und ich habe bis Mitte 2014 um meinen Wiedereinstieg ins Berufsleben gekämpft. Diese zwanzig Jahre haben sehr viel Kraft von mir gefordert, auch wenn sie glücklicherweise meinen Lebenswillen nicht brechen konnten. Ich habe los gelassen und lerne immer noch, mit meiner Situation angemessen - was auch immer das sein mag - umzugehen. Sowohl meine jahrelangen politischen Kämpfe wie mein fast zwanzigjähriges Ringes um den Wiedereinstieg ins Berufsleben haben meine Energien nahezu sinnlos in die falsche Richtung gelenkt.
Für mich sehe ich daher im Heute keinen Sinn mehr im politischen Kämpfen und für dieses Kämpfen fehlt mir mittlerweile auch jegliche Kraft. Meine erfreulicherweise trotz dieser Niederlagen noch vorhandenen positiven Energie will und kann ich nur noch für mich und mir nahe stehende Menschen nutzen. Nichtsdestotrotz wünsche ich allen politischen Kämpferinnen und Kämpfern jede Menge Energien und Erfolge in ihren mühsamen Kämpfen für eine menschenwürdige Gesellschaft.